INMUTO IMPULSE 1/23

1) Mehr Distanz für mehr Wirkung
2) Die apokalyptischen Reiter der Selbstverantwortung
3) Team-Probleme durch Fehlinterpretation

Mehr Distanz für mehr Wirkung

Nach einigen erfolgreichen, aber sehr anstrengenden Jahren im Job kommt der Bereichsleiter an den Punkt, an dem er sich ‘im Hamsterrad’ nur noch gestresst fühlt. Im Coaching stellt sich heraus, dass überproportional viele Aufgaben auf seinem Tisch landen, da er  immer noch eine Lösung möglich macht. Als Folge türmen sich immer mehr Projekte bei ihm auf, bis sich schließlich der aufgestaute Frust durch die Überlegung, nach einem neuen Job zu suchen, Bahn bricht.

Während dieser Gedanke im Kopf des Managers wächst und er unter der Hand beginnt, nach möglichen Positionen zu suchen, geschieht etwas Merkwürdiges: Der Stress seines derzeitigen Jobs läßt gefühlt nach: Die Aufgaben fallen leichter, und trotz einiger Stunden weniger Zeit gelingt plötzlich einiges überraschend gut. Wie passt das mit dem scheinbaren Rückgang des Commitments zum derzeitigen Arbeitgeber zusammen?

Der Grund liegt in einem scheinbaren Paradoxon: Durch den Perspektivwechsel (in diesem Fall in Richtung anderer Jobmöglichkeiten) rückt die Dringlichkeit und damit der gefühlte Stress des derzeitigen Jobs etwas weiter weg. Durch den größeren Abstand reduziert sich der gefühlte Zwang, sofort zu reagieren. Dadurch verändert sich wiederum die eigene Wahrnehmung: Die Perspektive ist nicht mehr eng und reflexhaft, sondern entspannter, distanzierter und damit ‘weiter’.

In diesem Zustand sehen wir neue Lösungsansätze, können besser priorisieren und kümmern uns zielgerichteter (Zeitersparnis!) um das Wesentliche. Auf dieser Basis gewinnt der Bereichsleiter einen neuen, konstruktiven Abstand, um die Themen ruhiger und reflektierter einschätzen zu können. Im Coaching Prozess arbeiten wir an diesen ‘guten’ Eigenschaften seiner neuen Wahrnehmung. Er berichtet bald, dass es vom Team als erfrischend wahrgenommen wird, dass die Meetings jetzt kürzer und auf das Wesentliche beschränkt werden. Auch, dass wichtige Themen effektiver bearbeitet werden, und zu den vielen C-Prioritäten auch mal ‘nein’ oder ‘jetzt nicht’ gesagt wird, kommt beim Team sehr gut an.

Als Resultat entschließt sich der Bereichsleiter sogar, bei seinem derzeitigen Arbeitgeber zu bleiben. Gestärkt durch seine neue Perspektive, verhandelt er dabei konstruktiv einige ihm wichtige Arbeitsthemen so mit der Geschäftsleitung, dass er seine Projekt-Flut etwas einschränken kann. Gleichzeitig delegiert er mehr. Insgesamt nimmt seine Freude am Job wieder deutlich zu. Die ursprünglich negativ geladene Distanz hat sich in eine positive, selbstbestimmtere Entscheidungs-Vitalität gewandelt. Er fasst positiv zusammen: ‘Ich entscheide klarer und bekomme die Themen souveräner in den Griff’.

Die apokalyptischen Reiter der Selbstverantwortung

Die Bereichsleiterin eines mittelständischen Unternehmens begann das Kennenlerngespräch mit den Worten: “Ich bin vollkommen erschöpft. Nicht nur körperlich, sondern vor allem mental.”. Selbstzweifel, ständig kreisende Gedanken, eine gewisse Dünnhäutigkeit im Umgang mit kritischen Rückmeldungen, schlechter Schlaf und weitere Aspekte beschrieb sie als Symptome dieser Erschöpfung.

Nachdem wir diese beobachtbaren Effekte darunter liegenden Beurteilungen und Bedürfnissen zugeordnet haben, zeigten sich drei destruktive Elemente ihrer beruflichen Realität:

  1. Fremdbestimmtheit – ich habe immer weniger Einfluss auf meine Prioritäten und das eigene Wirken
  2. Bedeutungsverlust – was ich täglich tue, ist immer weniger bedeutend im Hinblick auf das höhere Ziel unserer Organisation
  3. Abwesenheit von Wertschätzung – ich gebe alles, aber niemand scheint Notiz davon zu nehmen

 

An diesem Punkt gab die Managerin dem Ganzen einen Namen: “Die apokalyptischen Reiter der Selbstverantwortung”. Denn die Überschrift über all dem lautet: Kontrollverlust. In aller Regel sind es nicht die Dinge selbst, die uns Energie ziehen – sondern das Gefühl, diesen machtlos ausgeliefert zu sein. Die Managerin fühlte sich immer weniger entscheidungs- und handlungsfähig im Sinne ihres Selbstbildes, ihrer Werte, ihres Lebensplans. Im Laufe der Jahre war etwas außer Kontrolle geraten.

Also arbeiteten wir zunächst nicht daran, wie sie die äußeren Umstände ändern könnte, sondern konzentrierten uns darauf, wie sie diese Situation aus der Perspektive ihrer Identität interpretiert. Welche Bedeutung sie ihnen gibt. Sie traf zwei Entscheidungen und nahm sich vor, diese in Ihrer Haltung zu verankern:

  1. Ich gebe die Hoffnung auf, dass sich die belastende Situation in Zukunft ändern wird. Statt dessen nehme ich sie so an, wie sie ist (“face reality”).
  2. Ich verändere die Bedeutung der belastenden Umstände, indem ich diese anders beurteile – und damit deren Macht über meine Lebensqualität reduziere.

 

Diese Haltungsarbeit gelang leichter, als von ihr erwartet, so dass wir uns rasch auf konkrete Handlungsänderungen in ihrem Alltag konzentrieren konnten. Sie verschaffte sich mehr Selbstbestimmtheit in ihrer Rolle und definierte ihre Prioritäten im Sinne von deren wirklicher Bedeutung neu. Kritische Auseinandersetzungen mit Kollegen und Vorgesetzten bestand sie souverän. Später beschrieb sie den wichtigsten Effekt ihrer Entwicklung so: “Es fühlt sich an, als hätte ich meine Freiheit zurück gewonnen. Die Umstände sind immer noch schwierig, aber ich fühle mich wieder in meiner Kraft – souverän und selbstbewusst. Ich weiß wieder, dass ich Kontrolle über meine Entscheidungen habe.”.

Team-Probleme durch Fehlinterpretation

Das Geschäft läuft finanziell sehr gut, es gibt viele Aufträge, die Auslastung ist am Limit. Was Controller und Geschäftsleitung freut, setzt die Teams unter Stress. Was als ‘gute Vollauslastung‘’ anfängt, fliegt der Geschäftsleitung Wochen später um die Ohren, als ein Leistungsträger (stressbedingt?) erkrankt. Die Kapazitäten im Team kippen, und ‘plötzlich’ herrscht flächendeckender Frust gegenüber der Geschäftsleitung. Ein hektisch einberufenes Townhall geht daneben: Die Kommunikation gegensteuernder Maßnahmen läuft auf Grund, als sich das Team mit der Frage ‘ob man überhaupt wisse was hier los sei’ seinem Unmut Luft macht. Wie konnte sich die Stimmung ‘unbemerkt’ trotz aller gutgemeinten Ankündigungen der Geschäftsleitung so verschlechtern? 

Im Coaching-Gespräch konnten durch eine allparteiliche Reflexion die Ursachen klar herausgearbeitet werden: 

  • Es gab keine funktionierenden Kommunikationskanäle für das Team, um sich frühzeitig und wirkungsvoll zu den Problemen zu äußern.
  • Der Fokus auf finanzielle Kennzahlen trübte die Wahrnehmung der Geschäftsleitung hinsichtlich der aufkommenden Überarbeitung der Teams.
  • Die in letzter Sekunden erarbeiteten Gegenmaßnahmen wurden isoliert hinter verschlossenen Türen entschieden.

Zusammenfassend herrschte ein Mangel an konstruktivem Dialog: Beide ‘Parteien’ begannen daher, sich eigene Hypothesen zu bilden, was ‘bei den anderen’ los ist. In Krisensituation entstehen hieraus schnell negative Interpretationen. Bei identischer Ausgangssituation wird das Glas halb leer statt halb voll gesehen. Durch die jetzt klare Sicht auf die Dynamik des fehlenden Dialogs konnten im Coaching konstruktive Maßnahmen abgeleitet werden:

  • Aufbau einer vertrauensvollen, informellen Dialogkultur.
  • Einrichtung von krisenfesten formalen Feedback- Kanälen
  • Proaktive, einbindende Kommunikation vor der finalen Entscheidungsnahme.

 

All das braucht Zeit vor einer Krise, um in selbiger gut zu funktionieren. In diesem Fall war die missglückte Handhabung der Krise ein guter Impuls, um sich als Geschäftsleitung grundsätzlich mit dem Thema ‘vertrauensvoller Dialog’ auseinanderzusetzen. Nach anfänglichem Zögern entstand ein für den Geschäftsleiter als entlastend wahrgenommenes gegenseitiges Verständnis und eine größere konstruktive Offenheit, zu schwierigen Themen frühzeitiger in einen lösungsorientierten Dialog zu gehen.

12 Wünsche an dich selbst Coverbild für den Podcast Groß und Ganz

Diese und weitere Aspekte des Themas “Selbstverantwortung und Selbstentwicklung” behandeln wir – auch gemeinsam mit ehemaligen Coaching Klienten – im Podcast “Groß & Ganz”.

[Spotify] [ApplePodcast] [Web]