Verantwortung für mich selbst

Kurt Frehe spricht im Cafe Future während der Internorga in ein Mikrofon

Führung? „Man muss Hilfe zulassen können“. Der Vormittags-Talk im Café Future live am Messe-Sonntag der Internorga war ein offener und emotionaler Erfahrungsaustausch zur Rolle der „Führungskraft in stürmischen Zeiten“. Kurt Frehe und Frank Sager boten tiefe Einsichten, sprachen über persönliche Niederlagen und die Lehren, die sie daraus gezogen haben.

Text: Christian Funk, GV-Praxis, Foto: Annette Riedl

„Es waren vermutlich die grässlichsten Zeiten, die ich in meiner Laufbahn erleben musste“, schildert Frank Sager die Wochen im Frühjahr 2020, als sich das Coronavirus rasend schnell verbreitete und die Welt auf den Kopf stellte. „Von einem Tag auf den anderen seinen 200 Beschäftigten zu sagen, dass sie jetzt bitte nach Hause gehen müssen, war dramatisch. Man entscheidet da über Schicksale. Und auf Entscheidungen dieser Tragweite ist man nicht vorbereitet, da gibt es keinen Rat. Das hat mir seinerzeit schwer zugesetzt“, erinnert sich der damalige Leiter Campusgas‐ tronomie und Zentraleinkauf des Studentenwerks Göttingen. Am Sonntagvormittag tauschte er sich im Café Future live auf der Internorga gemeinsam mit gv‐praxis-Herausgeber Burkart Schmid mit dem Coach Kurt Frehe aus.

In bewegenden Worten erzählt Sager von persönlichen Schicksalen seiner Mitarbeiter und einem Gefühl der Hilflosigkeit, das sich bei ihm breit machte. Als dann in den Ausläufern der Pandemie steigende Energie- und Lebensmittelpreise das Arbeitsumfeld Campusgastronomie zusätzlich in Not brachten, habe sich das Gefühl weiter verstärkt. „Es kam mir vor, dass ich von einer Krise in die nächste schlittere“, schildert Sager und erklärt, wie er einen Schlussstrich gezogen hat. „Die Faktoren, die mich und natürlich auch mein Team beeinträchtigt hatten – sei es die Pandemie, die Teuerungsraten, der Krieg in der Ukraine – konnte ich nicht beeinflussen. Ich war fremdbestimmt. Das wollte ich ändern, habe die Reißleine gezogen und dadurch selbstbestimmt aufgehört.“

Heute ist Frank Sager Verkaufsleiter B&I bei Apetito und blickt auf eine bewegte Gastro-Karriere zurück als Leiter etwa bei Beiersdorf Catering & Eventmanagement oder bei der BMW Group in Leipzig, Berlin und Eisenach.

Dass Sager vor seinem neuen Job bei Apetito eine berufliche Auszeit „dringend nötig“ hatte, um zu „reflektieren, Luft zu holen und mir darüber bewusst zu werden, was ich will, was ich kann und was ich bereit bin zu geben“, dafür zeigt der dritte Talk-Partner im Bunde tiefstes Verständnis: Kurt Frehe war Vertriebschef bei Eckes-Granini, Geschäftsführer Nestlé Professional und Geschäftsführer Tchibo Coffee Service, bevor er 2014 „in einem Zustand totaler physischer und mentaler Erschöpfung“ ausgestiegen ist. Nach einem Jahr Pause gründete er dann INMUTO, machte sich selbstständig. Als Coach arbeitet er heute mit Führungskräften an den Themen professionelle Wirksamkeit, Selbstbestimmtheit und Selbstverantwortung.

Frehe kann Sagers Situation nachempfinden, zumal Fälle wie Sagers und sein eigener zunehmend auftreten würden. „2020 hat sicher für eine Zäsur gesorgt, was das volatile Arbeitsumfeld betrifft. Allerdings hat Covid höchstens als Katalysator für Veränderungen gewirkt: als Führungskraft erlebt man eigentlich nur noch stürmische Zeiten“, so Frehe, der ein typisches Muster ausgemacht hat.

Äußere Einflussfaktoren, die Führungskräfte in die Erschöpfung treiben, erklärt er anhand von drei Punkten: „Zunächst gerät man in einen – subjektiv empfunden – permanenten Zustand der Fremdbestimmung. Man reagiert überwiegend, an‐ statt agieren zu können. Hinzukommt, dass die eigenen Anstrengungen keine Ergebnisse erzielen, beziehungsweise irrelevant erscheinen. Man erkennt keine Bedeutung darin. Der dritte Punkt ist die fehlende Wertschätzung – das ist häufig bei Führungskräften der Fall.“ Dass all das zur Erschöpfung führt, bestätigt Frank Sager: „Wertschätzung von oben habe ich nicht bekommen. Von Mitarbeitern sehr wohl und das bedeutet mir sehr viel, aber ein gewisses Feedback von oben wäre das ge‐ wesen, was ich mir seinerzeit gewünscht hätte.“

Doch welche Lösungen führen raus aus dem Hamsterrad? „Der Schlüssel liegt darin zu respektieren, dass sich die Welt verändert und dass ich nicht alles beeinflussen kann„, sagt der Coach Kurt Frehe. Im Grunde gehe es darum, Akzeptanz zu lernen, Situationen entsprechend zu bewerten und sich nicht fremd bestimmen zu lassen. Da dies für viele Menschen nicht einfach ist, geben Sager und Frehe Lösun‐ gen und Strategien zur Bewältigung preis. „Es ist nützlich, das eigene Handeln zu hinterfragen und wirklich zu reflektieren“, so Frehe. „Man muss lernen, nein zu sagen, gerade bei den Dingen, von denen man überzeugt ist, dass sie keinen Wert, keinen Erfolg, keinen Nutzen haben werden.“ Dies seien schwierige, sogar gravierende Entscheidungen, weshalb er ergänzt: „Holen Sie sich dazu proaktiv Feedback ein! Wenn Sie das nicht bekommen, müssen Sie zusehen, dass Sie es bekommen.“

Frank Sager berichtet, wie ihm Austausch im privaten Umfeld geholfen hat, mit dem vermeintlichen Misserfolg umgehen zu können. „Was hilft ist Kommunikation. Über die eigene Situation reden, sich öffnen und sich helfen lassen. Man muss Hilfe zulassen können“, insistiert der erfahrene Manager. Und Frehe knüpft an: „Als Führungskraft übernehmen wir Verantwortung für andere – lassen Sie das auch umgekehrt zu!“ Vor allem stehe stets der Grundsatz: „Kümmere Dich um Dich selbst!“

Das Fazit des offenen Austauschs coram publico: Selbstachtung und Selbstbestimmung sowie Reflexion und Kommunikation sind die Schlüssel, um als Führungskraft in stürmischen Zeiten zu bestehen. Zweite Erkenntnis: Es kann nicht immer gelingen, aber das das ist vollkommen in Ordnung. Ein offenes und emotionales Gespräch, ein Mutmacher, zu Schwächen zu stehen und daraus Kraft und Stärke zu ziehen.

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